Dienstag, 7. Februar 2012

Die Kleidung zwischen Rott und Vils


Die Kleidung zwischen Rott und Vils

im 19. und 20. Jahrhundert


Zwischen der Rott und der Vils liegt am Flüsschen Kollbach Arnstorf. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts stiegen, bedingt durch Miss ernten und Kriegswirren, im ganzen Land die Agrarerzeugnisse in schwindelnde Geldhöhen. Das bekannte Hungerjahr 1817 gab diesen Jahren den Namen „die theure Zeit“.

Als es dann landauf, landab in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts den Menschen wieder besser ging, legte man sich auch im Kollbachtal, wie so vielfach auf dem Land, eine neue Gewandung zu, die die übliche Bauerntracht verdrängte. Nur alte Frauen hingen noch an den schweren, wollenen Röcken, die mehrmetrig weit ge schnitten waren und der Figur ein unförmiges Aussehen gaben. Zur blauen oder braunen Kurzjacke trug die Frau einen vorgebundenen wollenen Brustlatz, auch Brustfleck genannt, ein einfarbiges blaues Fürtuch (Schürze), lichtblaue Strümpfe, schwar ze flache Schuhe und auf dem Kopf eine Ohrenpelzhaube.

Bei den Männern verschwand im ersten Drittel des 19. Jahrhun derts die unter dem Knie gebundene schwarze Lederhose, der blaue Strumpf, der flache schwarze Bänderschuh, das rote wollene Leibl, der braune oder blaue Rock (Mantel) und der weitscheibige Hut.

Die Mannsleut` trugen nun die allgemeine ostbayerische Männer tracht mit langer lederner Stiefelhose, darüber hohe Stiefel, einen langen, nun in dunkleren Farben blauen, braunen oder schwarzen Gehrock, die Jüngeren kurze Tuchjacken mit Knopfauszier, silber beknöpfte Samtwesten und auf dem Kopf den schmalkrempigen Hut mit schwarzseidenen Quasten.

Freilich konnten sich nicht alle so ein gutes Festgewand leisten. Es gab genug „kleine Leute“, die tagein, tagaus im gleichen Gewand aus grobem Leinen und abgetragenem Pers (bedruckte Baum wolle) gingen. An den Werktagen lief man barfuss oder in Holz schuhen. Lederschuhe waren kostbar und wurden, weil oft nur ein Paar zur Verfügung stand, in kinderreichen Familien untereinander ausgeliehen.
Die betuchte Bürgerin oder Bäuerin ahmte zu Ende des ersten Drittel des 19. Jahrhunderts die städtische Kleidungsweise nach, die jetzt in die Märkte vordrang, nach. An Stelle der älteren Frauen tracht trat die bürgerliche Gewandung. Jene, die es sich leisten konnten, prangten an kirchlichen und weltlichen Festen in „Überröcken von Seide, Merino (Wolle), Wollmuslin (Mischgewebe)“, Mädchen bevorzugten modernste Stoffe in grellen Farben. Der Schnitt der Kleider wurde so elegant wie möglich gearbeitet. Die Störschneiderin war immer aufs Beste informiert, wenn sie ins Haus zum Nähen kam. So war das einfache Mieder entweder vom selben Stoff am Rock befestigt oder nach bayerischem Brauch davon getrennt aus schwarzem Seidenstoff, hin und wieder mit Gold abgenäht und mit Silberketten verschnürt. Ein Spenzer, (Jacke) mitten über der Brust zu schließen, wurde aus Halbseide oder Wolle gefertigt. Ein seidenes Busentuch steckte man, über die Schultern gelegt, zuunterst in das „Münchner Mieder“.

Zur „Gala“ wurde die Riegelhaube getragen, jene typische bayerische Haube, die von München kommend und gefördert durch das bayrische Königshaus die Frauen in weiten Teilen Bayerns be geisterte. Einzelne Frauen von reichem Stande trugen die schwere Goldhaube der Passauerinnen, die sich von dort in die Flusstäler ausbreitete, die der Donau zustreben.

Die Goldhaube machte auf ihrem Siegeszug verschiedene Entwick lungsstadien mit, von der Groß bön del haube um 1800 bis zum Ende des ersten Drittels des 19. Jahrhunderts, als sie mit schlan ken hoch aufstrebenden Flügel enden und kleinerem Knauf ihr End stadium erreichte.
 
(Abb. 1)







Den gleichen Entwicklungsprozess über die Jahrzehnte hinweg vollzog die Riegelhaube. Wie die Goldhaube aus der Bodenhaube entstammend, schrumpfte die Riegelhaube bis sie klein und versteift, fast schwebend auf dem Hinterkopf der Trägerin saß.
Hist. Riegelhaube, um 1840/50, Eggenfelden
(Abb. 2)
Die Firmenschildchen, die manchmal noch in alten Hauben erhalten sind, zeigen, dass in dieser Zeit berufs mäßige Stickerin nen am Werk waren. Die spezialisierte Handwerkerin nannte sich Hauben- oder Putzmacherin. Eine auffallende Häufung von Hauben stickerinnen gab es vom Anfang des 19. Jahrhunderts bis zum Ende desselben in Arnstorf im nieder bayerischen Kollbachtal. Dieser Ort im Zentrum von Nieder bayern erhielt 1419 das Marktrecht. Mit der Verleihung war die wirt schaftliche Grundlage für einen blühenden Markt gegeben. Die Folge war eine kaufmännisch – gewerbliche Betä tigung für die Einwohner, dazu lag Arnstorf günstig in einem Gebiet von hohem Kauf interesse. Ebenso ist uns ein Gold- und Silberarbeiter aus Dingolfing bekannt, der u. a. Hauben fertigte. Die Hauben konnten also im allernächsten Umfeld bestellt werden.
Für den gewöhnlichen Ausgang trug man hier das große schwarz seidene Kopftuch eben auch zum Mieder. In der zweiten Hälfte des 19. Jahr hunderts wurde die Kleidung der Frauen immer dunkler, der Schnitt modischer (Abb. 3). 
Jungbäuerin, Gegend Pfarrkirchen. Dunkle Gewandung mit Schürze und Kopftuch, Ende 19. Jh.
Die Männer ergaben sich der Anzugsmode.
Mit dem Einzug der Nähmaschine auch auf dem Land um 1880 starben die Volkstrachten.
Nur das große „Schwarzseidene“ wurde weiter als Kopfbedeckung getragen
(Abb. 4 und 5). 
Katharina und Josef Renner von Hofing bei Postmünster. Er trägt schon den Anzug, sie die Kopftuchkleidung, um 1900.

Josef und Kreszenzia Renner von Egglhub mit ihren Dienstboten. Die Mode ist schon bestimmend in der Kleidung, daneben die Kopftuchtracht, 1911.
Als in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts über all die modische, nun bis zum Knie gehende Frauenkleidung kam, hielt der „Bubikopf“, das kurzgeschnittene Haar die Frauen vom  Haubentragen ab. Nur bei ganz besonderen Festlichkeiten, wie einer Hochzeit, trug die Ehrmutter die Goldhaube und den „Wiener Schal“, das zum Mantel gebundene große bunte Tuch, das in großen Wiener Manufakturen hergestellt wurde. (Abb. 6).
Hochzeit von Franz Brunnmeier und Lina Göttl, Stopfnerbauer in Schuldholzing, Pfarrkirchen, links neben der „Kranzljungfrau“ die „Ehrmutter“.
Nach den schreck lichen Wirren des II. Welt krieges (1939 – 1945) gab es schon früh Frauen und Männer die spürten, dass die Kleidung der Vorfahren, das Gwand, das in ihrer Gegend einst getragen wurde, ein Teil ihrer Kultur ist und somit Bodenständigkeit, Heimatliebe und –verbundenheit vermitteln kann. Da kommt auch den Trachtenvereinen ein großer Verdienst zu.

Die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts bis in das neue Jahrtausend hinein waren auch im Kollbachtal geprägt von der Begeisterung, sich selbst eine Haube und ein Gwand anzufertigen. Mit MdL a.D. und ehamalige Bezirksbäuerin von Niederbayern Annemarie Hecker als Initiatorin, Motor und treibende Kraft gründete sich die  „Kollbachtaler Gold- und Riegelhaubengruppe“. Bäuerinnen und Bürgerinnen fanden sich in ihr zusammen und fertigten über viele Jahre hinweg Hauben, Gwand und Zubehör für sich selbst und die Mädchen der Gruppe. Allzeit beste Hilfestllung dabei fanden die Frauen bei der Trachtenberatungsstelle des Bezirks Niederbayern.

Trachtenberatungsstelle Heilmeierhof
Massing im August 2004

Franziska Rettenbacher

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